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Donnerstag, 20. Mai 2021 20:14

Relativer Quantenquark - Holm Gero Hümmler

Von meinem immer weiter wachsenden Stapel mit ungelesenen Büchern, dem Pile of Shame, habe ich mir als nächstes das Buch "Relativer Quantenquark" von Holm Gero Hümmler ausgesucht. Irgendwie hatte ich gedacht, dass es das Potential hätte, mein Weltbild mal wieder über den Haufen zu werfen. Doch bereits das erste Kapitel zeigte mir, dass Holm hier eine ganz andere Sache anprangerte, als mir auf den ersten Blick in den Sinn gekommen war. Ich hatte beim Lesen der Bücher von John Gribbin über die Quantentheorie das Gefühl, dass damit eigentlich alle paranormalen Phänomene erklärbar wären. Aber Holm hat die gar nicht im Visier, sondern die Esoterik. Und esoterisch angehaucht bin ich nun wirklich nicht.

Im ersten Kapitel erklärt er, dass Esoteriker gerne ihre Theorien mit quantenphysikalischen Erklärungen garnieren, damit es sich für die Opfer der Scharlatanerie anhört, als hätte der Quark eine wissenschaftliche Grundlage, und natürlich um Rückfragen von vornherein zu vermeiden. Sollte mir also jemand mit so einem Quatsch kommen, dann werde ich eine Rückfrage stellen, nämlich: "Was denken Sie wollte Schrödinger mit seinem Gedankenexperiment mit der gleichzeitig toten wie lebendigen Katze aussagen?" Die Frage habe ich tatsächlich schon Leuten gestellt, die sich allen Ernstens mit mir über Quantentheorie unterhalten wollten. Meistens wurde darauf schnell das Thema gewechselt.

Es ging weiter mit der Relativitätstheorie, die für die meisten Menschen ein absolutes Mysterium darstellt. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich damals aus lauter Neugierde ein Lehrbuch über die Relativitätstheorie aus der Bücherei ausgeliehen hatte, weil ich nicht warten wollte, bis sie im Physik-Leistungskurs drankam. Irgendwie war ich danach ein wenig enttäuscht, wie simpel sie eigentlich ist, und fragte mich, wieso nicht schon viel früher Physiker darauf gekommen sind. Aber Einstein war eben ein Genie. Holm räumt mit dem Mythos auf, dass Einstein ein schlechter Schüler gewesen sei und dass er von anderen Wissenschaftlern verkannt wurde. Einzig vom Nobelpreiskomitee wurde er wohl verkannt, da dieses die Theorie nicht verstanden hatten.

Und schon ging es an die Quantenmechanik mit dem Welle-Teilchen-Dualismus, dem Tunneleffekt, Verschränkung und Schrödingers mittlerweile toter Katze. Holm kritisiert auch John Gribbin, von dem ich allerdings nur die beiden Bücher Schrödingers Kätzchen und Auf der Suche nach Schrödingers Katze kenne, mit denen eine Idee von der Quantentheorie in meinem Kopf entstand, nicht aber seine anderen Bücher. Diese sollen in die Richtung der Esoterik gehen, die die Welt der Quanten versuchen, auf unsere Alltagswahrnehmung zu übertragen. Mich beschlich damals beim Lesen der Bücher das Gefühl, dass man damit paranormale Phänomene erklären könnte, aber nicht, dass John Gribbin ein Esoteriker wäre. Das kam dann erst mit Michael Talbot.

Aber gerade an dem Beispiel des Tunneleffektes beschreibt Holm sehr gut, wie ich die Dinge sehe. Dass alle Teilchen eines Menschen gleichzeitig einen Sprung von mehreren Zentimetern machen würden, dass es möglich wäre, durch eine Wand zu gehen, ist so extremst, extremst, extremst, ich sage es nochmal: extremst unwahscheinlich, dass wir es in unserer Alltagswelt durchaus als "unmöglich" bezeichnen dürfen. Aber genau, wie ein Punkt in der Mathematik keinen Raum einnimmt, so ist es eben mathematisch korrekt gesehen nicht ganz unmöglich ;-)

Interessant für mich war aber die Erklärung, wieso es ohne den Tunneleffekt keine Kernfusion in der Sonne geben kann. Das hat mein Weltbild nochmal um ein Puzzlestück ergänzt. Dass die Quantenverschränkung nichts mit Beamen/Teleportation zu tun hat und die dazugehörigen Schlagzeilen Unsinn waren, war mir eigentlich schon damals sofort klar gewesen. Aber dafür um so mehr mit abhörsicherer Verschlüsselung.

In dem Kapitel über Quantencomputer stand etwas von einem Schwurbler, der den Mythos verbreitet, es gäbe ein Wunderöl namens Black Goo, das er als Globuli an Leichtgläubige vertickt. Das erinnerte mich an das Spiel World of Goo auf der Wii, das ich eigentlich ganz witzig fand.

Ich fand es schon interessant, dass Angela Merkel ihren Doktortitel in Quantenchemie gemacht hat, ein Wissenschaftsfeld, das ich bis dato gar nicht kannte. In dem Buch gibt es noch ein neues Wissenschaftsfeld, das ich noch nie gehört habe, nämlich Quantenbiologie. Sehr interessant!

Die wichtigste Erkenntnis aus dem Buch dürfte jedoch sein, dass eben nicht alles miteinander verschränkt, oder wie Esoteriker gerne behaupten "verbunden" ist, denn dieser Effekt tritt nur auf, wenn die Teilchen vollständig von der Außenwelt abgeschirmt sind, was in der uns umgebenden Welt schlichtweg niemals passiert.

Meine bisherige Vorstellung, dass das Paranormale aber doch irgendwie mit der Quantenphysik erklärbar sein könnte, wurde auf Seite 167 zerschlagen. Insofern hat mir das Buch tatsächlich den Kopf etwas zurechtgerückt.

Überrascht hat mich die Aussage, Tachyonen würden nicht existieren. Dabei können zumindest schwach wechselwirkende Tachyonen nicht ausgeschlossen werden, sondern nur Tachyonen mit elektrischer Ladung oder mit Farbladung, also einer starken Wechselwirkung. Allerdings erscheint es mir mit meinem bescheidenen physikalischen Wissen unsinnig, dass es nur Tachyonen mit schwacher Wechselwirkung, nicht aber mit starker Wechselwirkung geben sollte.

Eine weitere Erweiterung meines Weltbildes war die Aussage, dass Elektronen punktförmig sein sollen. Das ist wirklich schwer vorstellbar. Ich bin baff. Ich hatte wirklich gedacht, dass dies nur in der reinen Mathematik möglich wäre. Aber meines Wissens nach wird in der Quantentheorie auch mit der imaginären Einheit gerechnet, und die Wurzel aus -1, naja, können wir uns mit unserem Alltagswissen nun wirklich nicht vorstellen oder gar glauben, dass es irgendetwas mit der realten Welt zu tun haben könnte.

Irgendwie schockiert mich die Vielzahl an Hochgelehrten, die aus der Wissenschaft kommen, aber trotzdem wissenschaftlichen Unsinn verbreiten. Entweder ist Bildung manchmal eben doch nicht der Weisheit letzter Schluss und man kann sich durch das Studium mogeln, ohne die Materie verstanden zu haben, oder es gibt in der Esoterikszene einfach zu viel Geld zu verdienen, als dass manch einer diese Schätze aus rein moralischen Gesichtspunkten ungehoben lassen möchte. Den Esoterikern kann man höchstens den Vorwurf machen, dass sie sich von dem wissenschaftlichen Geschwafel (in der Science Fiction nennt man das Technobabble) beeindrucken lassen, weil sie von der dahinter stehenden Physik nicht verstehen, und sich deshalb das Geld aus der Tasche ziehen lassen. Physik ist für die meisten Menschen unverständlich, was ich sehr traurig finde. Ich habe aber auch keine Idee, wie man den Menschen die Wissenschaft ohne zu viele mathematische Formeln näher bringen könnte.

Am Ende gibt Holm noch tolle Einblicke in das CERN, und wieso da kein gefährliches Schwarzes Loch geschaffen werden kann. Wer aber ein klein wenig Ahnung, also wirkliche Ahnung von der Quantentheorie hat, der weiß eigentlich, dass diese Befürchtung unbegründet ist. Ich halte es für bedenklich, dass solche Fragestellungen auch noch vor Gericht landen. Das dürfte nicht wirklich zur Wahrheitsfindung beitragen.

Im letzten Kapitel geht es nochmal um die Lorentz-Transformation und Zeitdilitation. Hier kommt man nicht um die Formeln herum, dennoch ist eigentlich in meinen Augen leicht verständlich, wieso es unmöglich ist, die Lichtgeschwindigkeit zu erreichen oder gar zu überschreiten. Aber ich verstehe auch, wenn das den meisten Menschen schon zu hoch ist.

Ich muss mich auf jeden Fall nochmal genauer mit der Kopenhagener Deutung und der Viele-Welten-Interpretation befassen. Bisher hatte ich die Vorstellung, dass bei der Kopenhagener Deutung ein Beobachter unerlässlich wäre, um Realität entstehen zu lassen, was auch als Beweis für die Existenz Gottes angesehen werden könnte. Deshalb war ich eher ein Anhänger der Multiversen, die parallel existieren, nur dass man sie nicht wahrnehmen (messen) kann. Jetzt verstehe ich die Kopenhagener Deutung anders, nämlich dass Ereignisse eben in einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten oder eben nicht, was zu einer Unvorhersehbarkeit führt, oder wie Einstein sagte: "Gott würfelt nicht!" Aber vielleicht ist genau dieses Würfeln dafür verantwortlich, dass eben nicht alles vorherbestimmt ist, was doch eine sehr zufriedenstellende Ansicht ist, wenn man nicht schicksalsergeben sein möchte.


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Greelane (30.05.2019): Beweist die Quantenphysik die Existenz Gottes?

Themen: Bücher | Quantentheorie
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09.01.2012 13:04 Clicks: 3102194

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